“Nicht noch ein Buch über den FC St. Pauli“ war mein erster Gedanke, als in einem beliebten Internetforum die Veröffentlichung von „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“ angekündigt wurde. Eigentlich weiß doch mittlerweile jeder Bescheid.

Früher ein stinknormaler Verein, dann kamen die Hafenstraßentypen mit den Totenkopffahnen, linke Politik wurde ins Stadion getragen, Fanzines wurden geschrieben, es gab Siege gegen Bayern, eine erfolgreiche DFB-Pokalserie und vier überwiegend grausame Jahre in der Regionalliga, eine erst originelle, dann peinliche „Retter“-Kampagne und einen selbst ernannten Fan-Präsidenten, der so eine Art Theater betreibt. Das ist St. Pauli in a nutshell. In diversen Büchern sowie ungezählten Zeitungsartikeln und TV- und Kinoproduktionen wurde die oft kreative und kritische Fanszene gewürdigt – und zwar völlig zu Recht. Aber noch ein Buch darüber lesen? Ach, nö.

Ich bin froh, dass ich es dennoch getan habe, sonst wäre mir eine äußerst unterhaltsame Lektüre entgangen. Die Autoren Mike Glindmeier, Folke Havekost und Sven Klein begleiten den FC St. Pauli seit Ende der 80er Jahre. Als Fans, Mitarbeiter und Journalisten. In „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“ erzählen sie vor allem ihre ganz persönlichen Erlebnisse, die sie mit ausgewählten Spielen verbinden. In kurzen Kapiteln erfährt der Leser viel Vergnügliches und Informatives über Whisky-Kenner im Auswärtszug, Abenteuer mit den Amateuren sowie non-verbale Auseinandersetzungen mit Neumünsteraner Nazis und Marinus Bester.

Wer gerne Spielberichte und Anekdoten in guten Fanzines liest, wird daran seine Freude haben. Dazu gibt es Gastartikel von Fan-Veteranen und Interviews mit Spielern. Franz Gerber darf erzählen, wie es war, als er 1977 beim bislang einzigen Bundesligasieg gegen den HSV dabei war. „Nicht ganz so prall“ nämlich. Gerber musste abends ins „Aktuelle Sportstudio“ und konnte deshalb nicht mit der Mannschaft feiern. Und Libero-Legende Jan Kocian stellt noch einmal unmissverständlich fest: „Wir waren alle keine Techniker.“

Auffällig sind die vielen negativen Begegnungen, die die Autoren als Angestellte des Vereins mit ihren Vorgesetzten hatten. Ein St. Pauli-Fan, der den Club allzu sehr verherrlicht, sollte wohl am Besten irgendeine offizielle Funktion übernehmen.

Ein Beispiel von einem der Autoren, der während der Regionalligazeit für die Vereins-Homepage und die Stadionzeitung schrieb:

“Vier Tage nach Saisonende wurde ich zu einem Redaktionstreffen in die Geschäftsstelle des Vereins gebeten, bei dem es um die Planungen für die kommende Spielzeit gehen sollte. Auch ich hatte mir bereits einige Gedanken gemacht, was wir redaktionell ändern, erneuern und verbessern könnten. Voller Tatendrang ging ich zu der Redaktionskonferenz. „Wir müssen uns für die neue Zweitliga-Saison ja neu aufstellen“, begann der Pressesprecher, „und das machen wir mal ohne dich.“ Vielen Dank für die Blumen. Vier Jahre hatte ich auf diesen Moment hingearbeitet. Nun war ich plötzlich raus.“

Schön, dass die Autoren trotz solcher Erlebnisse der Fan-Szene erhalten geblieben sind und dieses kurzweilige Buch geschrieben haben.
Zweierlei ist zu kritisieren: In die Top-Elf gehört auf jeden Fall Dirk Dammann, und die Liste der besten zwanzig Songs vom Millerntor ist zu perfekt – da kann man ja gar nicht rumnörgeln.

“St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“, PapyRossa, 16,90 Euro

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