Ich kenne niemanden, der nach Jens Lehmanns Werbespots für einen Direktversicherer gesagt hätte: „Der ist ja ein richtig guter Schauspieler, der Jens. Hoffentlich macht der mal in einem Film mit.“
Macht er aber. In der deutsch-südafrikanischen Co-Produktion „Themba“ spielt Lehmann – ganz originell – einen Fußballtrainer. „Themba“ soll auf der Berlinale 2010 laufen und danach zeitgleich zur Fußball-WM in die Kinos kommen. Mal sehen, wie Lehmann sich schlägt. Das Jugendbuch, das dem Film als Vorlage dient, ist uneingeschränkt empfehlenswert für alle Teenager, die sich für die Themen Südafrika und AIDS interessieren.

Es heißt ebenfalls „Themba“, und geschrieben hat es der deutsch-niederländische Schriftsteller Lutz van Dijk, der seit 2001 in Kapstadt lebt.
Erzählt wird die Geschichte des schwarzen Jungen Themba, der in der Post-Apartheid-Ära mit seiner Mutter Mandi und seiner Schwester Nomtha in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf aufwächst. Thembas Vater war ein Anti-Apartheid-Aktivist, der wegen seiner Überzeugungen im Gefängnis saß und unter mysteriösen Umständen verschwand. Das einzige Erinnerungsstück an ihn ist ein Foto, auf dem der Freiheitskämpfer zurzeit der Apartheid in selbstbewusster Pose an einem Strand für Weiße posiert.

Mit seinem besten Freund Sipho spielt Themba in jeder freien Minute Fußball. Zunächst nur zu zweit, später gründen sie ein richtiges Team – die Lion Strikers.
Aber Lutz van Dijk geht es in „Themba“ nicht in erster Linie um die Leidenschaft für den Fußball. Das größere Thema des Romans ist die Immunschwächekrankheit AIDS, vor allem der Umgang der Menschen mit AIDS-Kranken.

Der ist in Thembas Welt geprägt von Schweigen und Leugnen und von dem Hass, den Kranke erleben.

Als eine Nachbarin von Themba in großer Dorfrunde erstmals erzählt, dass ihre Tochter an AIDS gestorben ist, schweigen die Nachbarn. Auch Themba ist überrascht: „Ich habe das englische Wort AIDS schon öfter auf Plakaten in der Schule gesehen, und ich habe im Radio oder Fernsehen gehört, wie Menschen, die ich nicht kenne, es aussprechen. Mama Zanele ist der erste Mensch in meinem Leben, den ich gut kenne und der dieses Wort in den Mund nimmt.“

Schon bald wird der Junge erneut und sehr brutal mit der Krankheit konfrontiert. Alles beginnt damit, dass Thembas Mutter einen neuen Mann mit nach Hause bringt. Trotz der beengten Verhältnisse in der Familienhütte zieht „Onkel Luthando“ gegen den Willen der Kinder bei ihnen ein. Die Lage spitzt sich für die Kinder zu, als ihre Mutter wegen eines Jobs für zunächst sechs Monate ins weit entfernte Kapstadt zieht und Onkel Luthando verkündet, er werde in der Zeit auf die Kinder aufpassen.

Für die wird das Leben zur Hölle. Luthando hört auf zu arbeiten, beklaut die Kinder und säuft den ganzen Tag. Als er wieder mal besoffen nach Hause kommt, versucht er, Nomtha zu vergewaltigen. Themba kann das verhindern und wird daraufhin selber von Luthando vergewaltigt.

Weil sie es zu Hause nicht mehr ertragen, reisen Themba und Nomtha von ihrem letzten Ersparten nach Kapstadt. Dort vegetiert ihre Mutter in einem Township in einer Wellblechhütte vor sich hin und ist todkrank – sie hat AIDS.

Der Einzige, der sie angesteckt haben kann, ist Luthando, und Themba weiß sofort, was das bedeuten kann, unternimmt aber zunächst nichts. Mit seiner Schwester zieht er in die Hütte ein, ihre Mutter bringen sie in einem Krankenhaus unter.
Themba spielt trotz seiner großen Sorgen in der Folge erfolgreich beim Kapstädter Proficlub Ajax Cape Town und schafft es sogar in die Nationalmannschaft.
In der Nacht vor seinem ersten Länderspiel erhält er das Ergebnis seines AIDS-Tests.

Mit „Themba“ hat Lutz van Dijk einen beeindruckenden Jugendroman vorgelegt (Erste Auflage: 2006). van Dijk erzählt spannend und in einer Sprache, die modern und jugendgerecht ist. Besonders hervorzuheben ist, dass van Dijk trotz der jüngeren Zielgruppe seines Romans keine Scheu hat, schockierende und/oder verstörende Vorgänge auch als solche zu beschreiben, ohne dabei effekthascherisch zu sein. Die Vergewaltigung des Jungen, das langsame Dahinsiechen der Mutter – das ist nicht gerade Wohlfühlliteratur, aber dem Thema angemessen. Auch Momente von Hoffnung und Solidarität beschreibt van Dijk. Einfühlsam, aber nicht kitschig.

Gleichzeitig schafft der Autor es, nahezu im Vorbeigehen auf weitere Problemfelder der südafrikanischen Gesellschaft hinzuweisen. Das Verhältnis von Schwarzen und Weißen, die Lage auf dem Arbeitsmarkt, Kriminalität. Das macht neugierig auf eine intensivere Auseinandersetzung mit der südafrikanischen Gesellschaft.

Wenn also in Ihrem Freundes- oder Familienkreis demnächst mal ein Teenager Geburtstag hat, ist dieses Buch sicherlich ein schönes Geschenk. In der Buchhandlung sollten Sie sich nicht vom Klappentext von Franz Beckenbauer abschrecken lassen.

Lutz van Dijk: Themba, cbt, 6,95 Euro

Kommentare

1 Kommentar zu “Buchtipp für die U15-Junioren: „Themba“ von Lutz van Dijk”

  1. Gina am 07.02.09 18:14

    Ich habe das Buch gelesen und kann Ihrem Review eigentlich in jeder Hinsicht zustimmen, speziell dem Punkt, dass der Autor nichts verharmlost oder umschifft, dafür aber nie unnötig pathetisch oder rührseelig wird und den Charakteren immer ihre Stärke und ihren Stolz lässt.
    Ich habe ein paar Szenen mit Lehmann von den Dreharbeiten gesehen und was er macht sieht schon mal ziemlich gut aus und hört sich auch gut an. Ich glaube er ist ein Mensch, dem das “sich verkaufen” sehr unangenehm ist und genau das hat man ihm in dem Werbespot auch deutlich angesehen.

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