Nov
11
Ein Titel wie ein Genre.
Ein Titel, eine Boxfilmsaga.
Irgendwie ein Teil des kollektiven Gedächtnisses, auf die Frage nach dem bekanntesten Boxer würden wohl neunzig Prozent der Menschen gleich nach Ali noch Rocky einfallen, okay stellte man sich heute vor eine durchschnittliche Universität und würde “Freiheit für Rudi Dutschke” fordern käme wohl auch ein Berg Unterschriften zusammen…
Was ist dran, wie ist der Film eigentlich, bzw. “wie war der nochmal”, ist er wirklich so schrecklich wie gefühlt, so emblematisch wie empfunden?
Manchmal muß man tun, was ein Mann tun muß, man muß dahin kucken wo es weh tut.
Rocky, eine cineastische Selbsterfahrung.
Rocky I (1976)
Den hatte man mieser in Erinnerung. Zu Unrecht.
Das ist nicht einmal nur ein üblich oller Sportheldenfilm nach bekanntem Schema, es ist ein richtig guter kleiner Film über einen Boxer, einen Traum, seine Angst, seine sympathische Beschränktheit und eine Frau.
Die Boxhalle, Rockys Wohnung, die Gegend, trost- und hoffnungslos, sogar der Gangster, der Rocky als Geldeintreiber beschäftigt versprüht nicht so richtig Glamour, es ist Philadelphia, es ist 1976.
Das Ambiente ist schmuddelig, man riecht den Sportbeutel- und Turnschuhschweiß.
Die Charaktere sind glaubwürdig, logisch, die Liebesgeschichte, oft der notwendig üble Mühlstein am Halse eines Filmes ist hier richtiggehend im besten Sinne niedlich. Sie ist hier nicht Pflichtprogramm, sondern sogar vielleicht sogar das Zentrum der Geschichte.
Und schliesslich der Geniestreich, das Happy End besteht nicht aus einem sensationell unglaubwürdigen Sieg, sondern daraus, daß der völlig zerschlagene Underdog noch aufrecht steht.
Stallone war noch keine Parodie auf sich selber.
Wie es in einem guten Sportfilm zu sein hat, ist der Sport lediglich eine Matapher für das Leben an sich.
Immer schön und spannend ist es übrigens die Vorlage für unendlich viele Parodien zu sehen. “Rocky” ist Mutterpause für die bis zum Ermatten häufig kopierte Geschichte.
Hier muß man sich freimachen, von dem was man über 30 Jahre seit dem Entstehen des Filmes immer und immer wieder gesehen hat, denn hier hat man es mit einem Prototypen dieser ganzen Produktreihe zu tun.
Schade, daß in einem Nachklapp bereits der zweite Teil eingeläutet wird.
Das vielen noch im Ohr klingende verzweifelt und zerstört gejaulte “AAAAADRIAAAAAN”, beantwortet mit einem hysterischen “ROOOCKYYIII” und die Umarmung danach, das wäre ein feines Ende gewesen.
Leider musste es noch einen Epilog mit den zwei Boxern im Rollstuhl im Krankenhaus geben, wo schon einmal Rückkampf und der zweiter Teil gefordert werden.
Übrigens muß anlässlich dieser Szene mal eine Lanze für Anerkennung Sylvester Stallones Schauspielkünste gebrochen werden:
Carl Weathers ist mindestens genauso schlecht.
Trotzdem funktionieren beide in diesem Film in ihren Rollen hervorragend.
Rocky Eins ist ein wirklich guter kleiner Boxerfilm, ein guter Vertreter vielleicht sogar des “New Hollywood”.
Rocky II (1979)
So, die Skepsis ist in Wohlwollen umgeschlagen. Jetzt bin ich wirklich gespannt, denn wer erinnert sich schon an den zweiten Teil.
Irgendeine Patriotische Suhle namens Teil IV ist einem in Erinnerung geblieben ebenso wie ein Mr.T, der damals wohl noch cool war , jedenfalls wurde er damals so rezipiert, Eye of the Tiger, Survivor alles ungefähr in Teil III.
Aber was zum Schweissfuß eines Boxers nochmal passierte eigentlich im zweiten Teil?
Der Selbstversuch geht weiter, der Film ist eingelegt, um es herauszufinden.
Der Beginn weiß durchaus zu gefallen.
Rocky ist durch den Kampf zu ein bißchen Geld gekommen, kauft geschmacklose aber teure Dinge, ist der sympathische vom Leben überforderte Trottel des ersten Teiles, macht Reklame, ein paar launige Gags, aha er kann nicht Lesen, das Geld wird knapp, die Frau schwanger.
Wer könnte sich da nicht hineindenken?
Rocky will wieder boxen, klar ist ja eine Boxerfilm, die Frau fällt ins Koma, nanu, kommt es jetzt nicht ein bißchen dick..?
Und von hier an wird in der Tat alles fürchterlich!
Frau Balboa erwacht aus dem Koma und ihr erster Wunsch ist, daß ihr Mann einem anderen doch bitte gewaltig in die Fresse haue…was für eine Frau!
Und spätestens als Rocky den Volkslauf der orientierungslosen Hinterherläufer anführt mit dieser Pornobegleitmusik im Hintergrund, da ist das Maß des gutgelaunt erträglichen auch wirklich erreicht.
Von hier an wird gelitten und gelacht, aber verzweifelt!
Während im ersten Teil der Boxkampf einem noch garnicht als das Hauptelement des Films erscheint und erstaunlich zurückhaltend inszeniert ist, nimmt hier das Verhängnis seinen Lauf.
Eine völlig bescheuerte Kampfchoerographie, aber wie soll man auch sonst einen Boxkampf inszenieren? Wo in der Realität die Deckung regiert und einzelne gezielte Schläge deutliche Wirkung zeigen, wird hier jeder Schutz des eigenen Kopfes aus Unterhatungsgründen verweigert.
Zwanzig dreissig Schläge jede Runde mitten vor die Omme sind normal, da lacht der Filmboxer.
Er blutet und er schwillt zwar an, nur umfallen kann er nicht, na klar, denn es wird jetzt auch dem letzten klar, daß im Drehbuch 15 Runden stehen.
Zuschauer kommst Du zum Filmende, so sage Du habest uns hier wenn auch ohne Können so doch uns prügeln gesehen, wie nicht gerade der Verstand es befahl.
Dazu kommt noch das absolut dämliche Kampfende, alles wälzt sich auf dem Ringboden und der erste der doch wieder steht hat gewonnen, das ist ein bißchen wie ein 18ter Geburtstag mit Apfelkorn.
Mein Tip:
Die ersten beiden Teilen um- und zusammenschneiden.
Die Serie neu durchnumerieren.
Rocky III (1982)
Stallone hat nun auch noch den Regiestuhl übernommen, wenn das nicht beste Vorraussetzungen für eine Rückkehr zu den Qualitäten des ersten Teils sind, also dann … nee doch nicht.
Einen neuen Charakter hat sich die Titelfigur Rocky Balboa transplantieren lassen. Er kommt einem irgendwie verändert vor, so ähnlich wie Sylvester Satlone in einer Phase seiner Karriere als er uns von davon überzeugen wollte, er sei Komiker, oder Charakterdarsteller…naja oder zumindest Schauspieler…
Vielleicht wurde Balboa aber auch nur von dieser Frisur übernommen, ein Alien vom Planeten Föhn 3 hat sich auf seinem Kopf niedergelassen, die 80er Jahre haben begonnen.
Das verhängnisvolle am neuen ins Drehbuch geschriebene Denkvermögen, das sich der Hauptfigur bemächtigt hat: jetzt fällt es auf, Sylvester Stallone ist ein bockgrausam mieser Schauspieler.
Wo ihn in den ersten beiden Filmen noch ein debiler Dackelblick über die Runden trägt und das auch noch wie die Faust ins Gesicht passt, wird hier sein Defizit bei der Darstellung eines zweiten Gemütszustandes offenbar.
Nun gut, zunächst kann noch mit der Verpflichtung eines absoluten Knalltütenduos davon abgelenkt werden. Hulk Hogan und Mr.T!
Herjemine, ein Wort daß ich schon immer mal in irgendeinem Zusammenhang gebraucht haben wollte, das greift wirklich tief in die Peinlichkeitenkiste der 80er Jahre.
Naja, die Handlung ist so kurz wie unwichtig:
Rocky ist satt, verliert gegen “Clubber Lang”, was für ein Name, crossmerchandising mit kaugummiartigen Produkten und Süssigkeiten klebriger Natur sind vorprogrammiert!
Rockys Trainer stirbt, irgendwie heldenhaft, Rocky nimmt Abschied, irgendwie heldenhaft, heult und trauert aber grundsätzlich unter der Bademantelkapuze oder hinter der blickdichten Sonnenbrille, so rettet man sich auch über die darstellerisch kitzligen Passagen des Films.
Jetzt wird es noch dümmer, Apollo Creed, kommt, faselt was vom Auge des Tigers, na nu, so heißt schliesslich auch der Titelsong, bringt Rocky das Trippeln bei und läuft mit ihm wiederholt den Strand rauf und runter.
Gegen Ende wäscht seine eigene Frau ihm den Kopf, Stallone setzt den Schauspielerdarstellergesichtsausdruck auf und wir werden Zeugen eines Vortrags, den..auch nach Rückspulen und nochmaligem Ansehen…keiner versteht…ausser Rocky.
Was für eine Frau!
Sie spricht Rockysch!
So, und jetzt besiegt Rocky auch Apollo beim Strandwettlauf, das in Superzeitlupe, Nahaufnahme Lendengegend geschmeidig in der Bewegung mahlende Schenkelmuskel…aber dazu später mehr.
Also, Rocky siegt, Katharsis irgendwie, dämliche Gesichtsausdrucksversuche, Umarmung, Boxkampf, wildes Fressepolieren, alle bluten, schwellen, wanken, Rocky siegt alles super!
Übrigens: Stichwort Homoerotik.
Die Bildsprache dieses Films ist unbestreitbar tief im homosexuellen Pornofilm verwurzelt.
Das Rockythema, musikalisch gewaltig, wenn man es bei den ersten Takten belässt, erhebend, man verlangt geradezu nach einem Gegner und dem Boxring, doch läuft es weiter, plagen einen mehr und mehr Visionen von Pornofilmen der späten 70er oder frühen 80er Jahre, Visionen von Körperbehaarung und schwitzigem Sex unter toupierten Frisuren, man meint den Regisseur zur Kopulation drängen zu hören.
Kameraeinstellungen verharren im Schritt von Apollo und Rocky, schwelgen in Bildern von verschwitzten Männerkörpern, deren vom Meerwasser salzig feuchten Schenkeln und definierten, so nennt man das wohl, Muskelpaketen.
In der Schlussszene steigen Balboa und Creed sogar noch in einer Art Lacklendenbecher, Hose trifft das nicht, irgendwie muß man es wohl gesehen haben…, in den Ring.
Alle meeresfeuchte Holzfällererotik hilft nicht, wir sind dort wo wir uns von Beginn des Selbstversuches an hingefürchtet haben, in einem Bombenkrater der Filmkunst.
Schrecklicher Film, ganz schlecht, schlimmer noch, albern!
Halbzeit, Berg-, besser Talfest, wir sind ganz unten und wollen auf der anderen Seite der Schlucht wieder hinauf.
Fortsetzung folgt: Rocky IV – VI