Arschloch mit Präfix

von Elke Wittich

Was immer man von Hopp und Hoffenheim halten mag, die aktuelle Diskussion um den beleidigten Präsidenten vernachlässigt einen wichtigen Punkt:
Der Fußballplatz, egal welcher Liga, wird immer häufiger zum Rückzugsraum von Idioten, die glauben, dort ungestraft all die Beleidigungen äußern zu dürfen, die anderswo als strafbar gelten. Und die nun ihr Recht, beim Kicken Arschloch sagen zu dürfen, angetastet sehen – dass dazu häufig noch rassistische Zusätze gehören, wird in der Diskussion um Meinungsfreiheit nonchalant übergangen.

Der gegnerische Stürmer ist ein Idiot und dies gehört ihm dringend mitgeteilt. Weil er dauernd versucht, einen Elfmeter zu schinden, weil der den eigenen Lieblingsverteidiger ständig blöd aussehen läßt, weil er im Interview letztens gemeine Sachen über die geliebten Loser gesagt hat, weil er einfach da ist.

Ihn als Arschloch (das Wort steht hier stellvertretend für alle beim Fußball gebräuchlichen Bezeichnungen) zu titulieren, ist also dringend erforderlich.
Und damit der Stürmer auch merkt, dass er – und nicht etwa der gegnerische Verteidiger, Torhüter, Trainer, gegen die in aller Regel auch jede Menge vorliegt – gemeint ist, setzt man zum Arschloch noch den Namen hinzu.

So weit, so okay.

Was dagegen nicht okay ist, aber von denjenigen, die grad so lautstark über die Beschneidung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und ungehemmtes Beleidigen lamentieren, gern unterschlagen wird:

Es bleibt meist nicht beim einfachen Arschloch.
Die gängigen Zusätze wie Türken-Arschloch, Neger-Arschloch, Juden-Arschloch, Schwuchtel-Arschloch haben eines gemeinsam: Sie sollen dem gegnerischen Stürmer nicht mehr nur klarmachen, dass man ihn verachtet, weil er im falschen Verein spielt. Sondern auch und vor allem wegen seiner Hautfarbe, Religion, Herkunft, sexuellen Vorlieben.

Und weil viele Fans beispielsweise Türke-Sein, Schwarz-Sein, Jude-Sein, Schwul-Sein nicht als normal, sondern, um in ihrem Sprachduktus zu bleiben: “abartig” empfinden, werden die entsprechenden Zusätze in eindeutig beleidigender, herabsetzender Absicht gebraucht.

Mit anderen Worten: Wer Gerald Asamoah bei einem Fußballspiel als Arschloch bezeichnet, ist wahrscheinlich ein wütender Fan des jeweiligen gegnerischen Vereins.
Wer Gerald Asamoah bei einem Fußballspiel als schwarzes Arschloch bezeichnet, ist nichts weiter als ein Rassist.

Kommentare

1 Kommentar zu “Arschloch mit Präfix”

  1. sauzwerg am 10.06.08 10:08

    Ich müsste zwar nachsehen, könnte dann aber ganz genau das Datum sagen, an dem ich begann Cottbus zu hassen.

    okay, es gab meine Zivimission dort, wo mich der örtliche Verbindungszivi mit den Worten begrüsste: “Wieviel verdienst DU denn?”, das war aber nur eine kurze Irritation.

    Also, es war das Relegantionsspiel zwischen Hannover 96 und Cottbus, auswärts, “Public Viewing” in Hannover lange vor dessen “Erfindung”, ein merkwürdiges Spiel mit Ausfall der Flutlichtanlage…

    Es ging um den Aufstieg in die 2.Bundesliga, die Regionalligen Nord und Nordost spielten damals den einen ihnen zusammen zustehenden Aufsteiger zwischen den beiden Ersten aus.

    Die damaligen Hannoveraner Gerald Asamoah und Otto Addo mußten sich im “Stadion der Freundschaft” ausgiebig, zuschauerdeckend und rassistisch beschimpfen lassen, völlig unwidersprochen durch IRGENDeinen, auch nur den kleinsten Teil des Publikums. Im primitiven Rassismus herrschte cottbusser Konsens.

    Und genau das war das Datum!

    Inzwischen ist das Personal des Vereins wohl ein anderes incl. ungefähr aller Spieler, NUR, das Publikum, die Fans, wechselt ein Verein doch nur im Schnitt alle 70 Jahre einmal komplett durch.

    Ich gehe also davon aus, daß die Zuschauer von damals auch heute noch die Ränge der Freundschaft bevölkern, wie soll ich da für Energie Cottbus etwas anderes empfinden als Verachtung?!

    Das spätere populistische Heranwanzen des “Hannoveraners” Gerhard Schröder an den ostdeutschen Fußballverein aus politischen Gründen war umso panner!

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