Niemand weiß, wie es einem schwulen deutschen Spitzenfußballer ergehen würde, wenn er sich outen würde.
Aber nicht nur in Deutschland hat sich bislang noch kein Kicker geoutet, auch im angeblich so liberalen Schweden traute sich noch kein bekannter Sportler, zu seiner Homosexualität zu stehen.

Angefangen hatte alles mit einem gestellten Sieger-Foto. Die schwedische Boulevardzeitung Aftonbladet hatte im Jahr 2006 zwei Spieler des Eishockeyteams Färjestad mit goldener Farbe besprüht und in Jubelpose abgebildet. In der Bildunterschrift erlaubte man sich einen Scherz. Die beiden seien ein Paar, hieß es, und wahrscheinlich fanden die meisten Leser den Witz über die beiden Sportstars, deren gute Zusammenarbeit auf dem Eis dem Team zum Meistertitel verhalf, sehr gelungen. Bis plötzlich auffiel, dass es, entgegen aller statistischen Wahrscheinlichkeit, keinen einzigen offen schwulen schwedischen Spitzen-Athleten gibt.

Dass die vielgerühmte skandinavische Liberalität ausgerechnet im Sport nicht gelten sollte, erschien zunächst nicht vorstellbar, schließlich gelten Anti-Diskriminierungsgesetze, auf die man im Norden sehr stolz ist, auch auf dem Trainingsgelände und in Turnhallen.

Doch es werden gegnerische Fußball-Spieler zum Beispiel auch in Schweden als Schwule beschimpft und die Fanforen im Internet sind voll mit sexuellen Beleidigungen. Die Anhänger spiegeln damit nur wider, was ihre Idole ihnen vorleben. Denn die sind in aller Regel mental eher schlicht ausgestattet und kaum bereit, ein von ihrem konservativen Männlichkeitsbild abweichendes Verhalten zu akzeptieren. Der ehemalige Fußballer und Nationalmannschafts-Torhüter Magnus Hedmark erklärte in einem Interview mit dem Sender TV4, dass die vielgerühmte schwedische Liberalität definitiv am Kabineneingang ende. Entsprechend sei es kein Wunder, wenn ein schwuler Spieler sich nicht oute: “Die Intoleranz ist beängstigend”, sagte er. “Wenn ich homosexuell wäre, dann hätte ich sicher sehr darauf geachtet, dass keiner meiner Club-Kameraden davon erfährt. Denn ich hätte einfach nicht sicher sein können, ob das nicht irgendwann einmal gegen mich verwendet worden wäre.”

Sportvereine seien schließlich nach wie vor ein Hort des Machismo, von den dort geltenden Verhaltensnormen abzuweichen sei einfach nicht erlaubt. “Die einzigen Themen, um die es bei den typischen Männergesprächen in der Kabine ging, waren Autos, Frauen, Filme und Fußball. Über etwas anderes zu reden war verpönt.” In seiner langen Karriere traf Hedmark entsprechend “niemals auf einen offen schwulen Fußballspieler”. Es sei “schon ein beängstigender Gedanke”, dass Homosexuelle im Sport so gar nicht vorkämen, “wo sind sie alle? Haben sie sich wirklich alle dazu entschieden, dem Sport fernzubleiben? Oder sprechen sie einfach nicht über ihre sexuelle Orientierung?”

Letzeres wird wohl der Fall sein. Die Umkleidekabine, lange Jahre Synonym für miefige Atmosphäre und Kleingeistigkeit, ist, glaubt man dem ehemaligen Profi, nach wie vor ein Ort, an dem sich hartnäckig Denk- und Verhaltensweisen halten, die in den muffigen Fünfzigern en vogue waren.

Woran das liegt? Selbst der Profi, der im Ausland spielt und der somit eigentlich eine gewisse Weltläufigkeit erlangt haben müsste, hat kaum Grund, “mal ein bisschen über den eigenen Tellerrand hinauszugucken”. Erst nach dem Karriereende stellt man fest, wie klein und vor allem auch wie geistig beengt die Welt war, in der man jahrelang gelebt hat”, sagt Magnus Hedmark. Als Spieler sei man einfach “furchtbar verwöhnt” und werde zudem definitiv nicht ermutigt, sich eigene Gedanken zu machen: “Man muss sich um nichts kümmern außer um seinen Sport. Man bekommt sein Flugticket in die Hand gedrückt, jemand reinigt einem die Schuhe und die Trikots” – man lebe in einem eigenen Kosmos und werde zwangsläufig sehr egoistisch und komplett ignorant.

Entsprechend fordert Hedmark: “Die Vereine müssen in dem Punkt endlich aktiv werden, denn wenn niemand etwas unternimmt, dann wird sich nie etwas ändern – Fußballspieler sind schließlich ganz hartnäckige Herdentiere, die einfach immer alles so machen, wie man es immer schon gemacht hat, von Generation zu Generation.”

Schwedische Sportfans finden vermutlich trotzdem, dass sie auch weiterhin ganz gut ohne homosexuelle Athleten auskommen können. Eine Schwulenorganisation gab ihnen jedoch zu bedenken: “Viele Talente hören angesichts der Repressionen einfach mit dem Sport auf – wir verlieren damit sicher pro Jahr einige Talente und sichere Medaillenanwärter.”

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