Alles superphantastisch

von Elke Wittich

Wie es um den deutschen Sportjournalismus, jedenfalls im Fernsehen, beschaffen ist, läßt sich ganz leicht anhand der Causa Jörg Dahlmann erklären.
Der 51-Jährige, nicht eben bekannt für übermäßig kritische Interviews, war in der vorletzten Woche nach dem 4:0-Sieg der Bayern gegen Cluj in der Champions League mit dem Münchner Trainer van Gaal aneinandergerasselt. Der Anlass war eigentlich ein harmloser: Der Bayern-Coach hatte den dreifachen Torschützen Gomez gelobt, woraufhin Dahlmann fragte: „Was ist mit dem Gomez? Haben wir den alle – Sie vielleicht inklusive – anfangs der Saison falsch eingeschätzt?“ Louis van Gaal antwortete darauf zunächst sachlich, fügte dann jedoch hinzu: „ „Wenn Sie das nicht verstehen, ist das nicht mein Problem, sondern Ihres!“
Und dann kam es, wie es kommen musste, nämlich Dahlmann auf den Ärger zwischen Hoeness und van Gaal zu sprechen, was den Trainer noch ein bisschen ungehaltener machte – der Rest dürfte bekannt sein.
Obwohl es der Trainer war, der eindeutig entgleiste, nahm SAT1 nahm das Interview kurze Zeit später zum Anlass, den Reporter für einen Champions League-Spieltag zu sperren. In einer Welt, in der Fernseh-Sportjournalisten sich als Journalisten und nicht als Mikrofonhalter, die gemeinsam mit Spielern und Trainern Siege bejubeln, verstehen, wäre daraufhin dies passiert: Empört über das Einknicken eines TV-Senders vor einem Fußballverein hätten sich die Dahlmann-Kollegen kurz miteinander beraten und wären dann unter einem hübschen Motto wie „Dahlmann is innocent“ oder „Wir fragen, was wir wollen“ in einen unbefristeten Streik getreten. Alle. Nix Streikbrecher, nix Einknicken, und nein, auch der Praktikant ist leiderleider unpässlich und kann keinesfalls ins Stadion. In einer idealen Welt hätten sich Kameraleute, Techniker, Redakteure und am Ende sogar die Hörfunk- und Printjournalisten dem großen Kampf ums Recht auf die ordentliche Beantwortung selbst kritischster Fragen, und das auch noch ohne den leistesten Anflug irgendwelcher Zickereien angeschlossen, und ruckzuck wär er wieder reaktiviert worden, der Dahlmann.
Aber leider ist die Welt des Fernseh-Fußballjournalismus nicht ideal, und vielleicht ist es nicht einmal ihr Publikum, denn irgendwoher muss er ja schließlich kommen, der penetrante Glaube der TV-Sender und Fußballvereine daran, dass die Zuschauer nichts schöner finden als nach Spielende Fragen zu hören wie „Was ist das denn für ein Gefühl, nach so einem superphantastischen Sieg, über den wir uns alle so sehr freuen?“ und Antworten wie „Es ist ein ganz phantastisches Gefühl, wir können es noch gar nicht fassen, so superphantastisch ist das alles.“

Kommentare

1 Kommentar zu “Alles superphantastisch”

  1. jurij am 11.21.10 14:41

    tja, so Isset, wenn die sportjournalist*innen lieber dem SID, den Vereinen und der Verbänden in den arsch kriechen. s-bahner*innen haben das nich’ nötig. wenn da eine*r krank ist, bleibt das stellwerk eben zu …

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