AC Milan an die Scheichs?

von MisterAltravita

Wenn nicht gerade ausgemachte Wunder geschehen, wird der AC Milan auch dieses Jahr ohne Titel beenden. Für besonderen Unmut unter den zahlreichen Fans der Rossoneri sorgt seit Jahren die mangelhafte Einkaufspolitik. Während sich der Stadtrivale Inter zum – zumindest in der Liga – unschlagbaren Maß aller Dinge aufrüstet und auch die alte Dame Juve mit der Verpflichtung von Diego und einem eigenen Stadion sich für die Zukunft aufstellt, spielt Milan praktisch mit der Formation von 2005 (+ Pato). Die Gründe für die fehlende Intervention auf dem Transfermarkt sind vielfältig, entscheidender Punkt ist sicher die Doppelposition des Clubeigners und Regierungschefs Silvio Berlusconi: Einerseits kann SB in Zeiten der Krise, wachsender Arbeitslosigkeit und Parolen des “Gürtel enger schnallens” nicht mal eben 150 Millionen in sein “Spielzeug” schieben, andererseits hat er in Zeiten unangefochtener Regierungsmehrheit den AC Milan als Wahlkampfhilfe und Imageschleuder auch gar nicht mehr nötig.
Außerdem hat seine Frau Veronica vor 2 Wochen die Scheidung eingereicht, neben den drohenden finanziellen Auswirkungen dieses Umstands passt das mediale Begleitfeuerwerk eines zu erwartenden Rosenkriegs überhaupt nicht in Berlusconis Konzept. Er kann sich also eigentlich die notwendigen Investitionen aus Imagegründen nicht leisten, aus denselben Imagegründen kann er sich allerdings einen Absturz seines Vereins in die Mittelklasse nun aber auch nicht erlauben. Wo wäre denn dann das Bild des strahlenden und potenten Siegertypen auf allen Ebenen?

Fakt ist allerdings auch, dass man die Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von über 30 Jahren nun auch nicht beliebig unverändert in die Zukunft fortschreiben kann. Zu Saisonende wird Milan-Legende Paolo Maldini (der in Udine sein 900. Spiel für die Rotschwarzen bestritt) mit 41 Jahren die Töppen an den Nagel hängen, Emerson hatte seinen Vertrag schon im Frühjahr aufgelöst, die Zukunft des 36-jährigen Innenverteidigers Giuseppe Favalli steht in den Sternen und Erfolgstrainer Carlo Ancelotti wird wohl Ende der Saison seine Sachen packen und zu Chelsea wechseln. Es ist freundlich ausgedrückt, wenn man sagt, dass das Herz des Mittelfelds um Gattuso, Dida, Seedorf und Pirlo seinen Zenit schon überschritten hat – die Verteidigung ist hingegen komplett zu erneuern. Als prominente Neuzugänge werden die Namen Mexes (Innenverteidigung, AS Rom) und Adebayor (Sturm, Arsenal) gehandelt. Dazu muss Kakà gehalten werden, dessen Verkauf die Fans der Rossoneri ernsthaft auf die Barrikaden treiben würde. Es muss also investiert werden, und wenn möglich auf hohem Niveau. Da der eigene Nachwuchs seit gut 10 Jahren schwer vernachlässigt wurde, ist auch von dort (im Gegensatz zu Inter und besonders Juventus) keine Hilfe zu erwarten. Was tun? Wie die bereits vernehmlich grummelnde Fangemeinde ruhigstellen?

Bereits vor dieser Saison verdichteten sich die Stiummen um eine Übernahme oder zumindest einen Einstieg der “Araber” beim AC Milan. Gegen Ende der aktuellen Saison mehren sich die Gerüchte wieder, befeuert durch einen Besuch von eines Sohns von Mohammed bin Rashid Al Maktoum, Premierminister und Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate beim Spiel gegen Palermo. Die Al Maktoum-Familie steht praktisch als Hauptsponsor ab 2010 fest, ab dann sollte auch das von Arsenal bekannte “Fly Emirates” den bisherigen Trikotsponsor bwin ablösen. Die Zahlen für diesen Deal bewegen sich zwischen 20 und 30 Millionen Euro pro Saison. Das wird nicht reichen, um den Klub, der im abgelaufenen Geschäftsjahr 67 Millionen Euro Verlust schrieb, kurzfristig wieder nach ganz oben zu führen und womöglich wird ein solches eher symbolisches Engagement auch den Scheichs aus den VAE nicht genügen.

Die Gerüchte verdichten sich, dass Silvio Berlusconi mittlerweile dem Drängen seiner Kinder Piersilvio und Marina, die Chefs seines Imperiums Fininvest, die seit jeher die jährlichen Millionenverluste des AC Milan äußerst kritisch betrachten, nachgeben könnte und mittlerweile zumindest eine teilweise Veräußerung von Anteilen des Clubs akzeptieren könnte. Und frisches Kapital könnte in der Tat aus den VAE kommen, genauer gesagt von der Abu Dhabi United Group (ADUG), noch genauer gesagt mit sofortiger Wirkung 500 Millionen Euro für 35 % der Anteile, in der Summe abgesichert durch eine Bürgschaft der PNB Paribas.

Es ist zu erwarten, dass die “Scheichs” ein derartiges Investment nicht für eine dauerhafte Minderheitsbeteiligung eingehen würden. Und so taucht in den einschlägigen Diskussionen immer wieder der Hinweis auf eine mögliche “Put Option” auf, also eine Option auf die vollen 100 % AC Milan in 2 Jahren zu einem bereits jetzt festzulegenden Preis. Berlusconi würde also das Recht erwerben, sich in 2 Jahren vom Rest seiner Anteile zu trennen, es besteht keinesfalls die Pflicht hierzu, mithin ein Geschäft ohne – finanzielle – Risiken für den smarten Silvio. Der Vereinsinhaber bräuchte also im Moment keinerlei Investitionen tätigen, könnte sich in 2 Jahren aber immer noch frei entscheiden, was er mit seinem “Spielzeug” anstellen will. Ohne frisches Kapital würde ihm diese Entscheidung bereits nach Ablauf der jetzigen Saison aufgenötigt – sein erbärmlicher Versuch, Trainer Ancelotti die Alleinschuld für die jetzige Saison aufzudrücken, wurde ja von mehr als 72 % der Teilnehmer einer Online-Umfrage bei der Gazzetta dello Sport brüsk zurückgewiesen. Und in der treuen Curva Sud des San Siro finden sich mittlerweile regelmäßig riesige Spruchbanner, die Berlusconi zum Verkauf des Clubs auffordern.

Wir bewegen uns immer im Bereich von Spekulationen, allerdings erfordert die Situation tatsächlich ein schnelles Handeln. Weitere Spielzeiten ohne Titel, besonders angesichts der englischen Übermacht in der Champions League, der eigentlichen Spielwiese des “meistdekorierten Clubs der Welt”, dürfen sich nicht erlaubt werden und mindern den Wert der Marke “AC Milan”. Die Zahl, die für den Gesamtverkauf im Raum steht, scheint sicherlich absurd hoch, allerdings darf man in die Gedankenspiele einbeziehen, dass es bei einer solchen Aktion sicherlich nicht nur um einen Fußballklub und dessen neues Stadion geht (Galliani hat sich diese Saison regelmäßig zur Notwendigkeit der Stadioneigentums geäußert, Juve, Milan und AS Rom haben entsprechende Pläne schon im Schubfach), sondern um einen generellen Einstieg der Vereinigten Arabischen Emirate in die italienische Wirtschaft via Mediaset. Peanuts werden hier also mit Sicherheit nicht den Besitzer wechseln. Und wenn könnte man mit einer solchen Summe sinnvoller freundlich stimmen als den “Chef von det Janze” Silvio Berlusconi? Einstweilen wurde Maktoum selbst in Arcore gesichtet. Im Haus von Berlusconi.

Sulaiman Al Fahim, Finanzchef der “Hydra Pro­perties” wäre für Vertrag und Investitionen verantwortlich und wir sollten auch nicht vergessen, dass die Abu Dhabi Investment Authority bereits mit mehr als 2 % an Berlusconis Medienimperium Mediaset beteiligt ist – ein Fakt, der den Blätterwald bereits im Winter rauschen ließ, als der Transfer von Mittelfeldstar Ricardo Kakà zu den Scheichs von Manchester City für 120 Millionen Euro den Markt erschütterte. Pfiffige Beobachter dachten hier an ein Investment “von der linken in die rechte Tasche”. Die Sun bemerkte seinerzeit, dass Sheikh Zayed bin Sultan Al Nahyan, seines Zeichens Vater vom jetzigen City-Inhaber Sheikh Mansour Bin Zayed Al Nahyan, langjähriger Geschäftspartner von Berlusconi war. Nach seinem Tod 2004 übernahm Sheikh Mansour Bin Zayed Al Nahyan, also der Bruder von Mansour, die Anteile an Berluscas Medienimperium. Die Abu Dhabi Royal Investment Fund hält über 2 % an Berlusconis Mediengiganten Mediaset selbst und 16 % an der Barclays Bank – Barclays wiederum hält ihrerseits mehr als 5 % an Mediaset und ist damit nach Berlusconi grösster einzelner Anteilseigner.

Und vor diesem Hintergrund hatte der Besuchs eines der Söhne des Emirs beim Palermo-Spiel vielleicht doch eine Bedeutung. Immerhin verbrachte er den Tag an der Seite des Interims-Präsidenten Adriano Galliani, besuchte die Mannschaft und hatte genügend Gelegenheit, das altehrwürdige Stadion San Siro zu betrachten. Bis auf weiteres Spielstätte des AC Milan.

Es bewegt sich irgendetwas hinter verschlossenen Türen und die derzeitig die Gazzetten faszinierende Debatte, wer denn eim nächsten Jahr auf der Trainerbank sitzen wird ist nicht mehr als ein Schutzschild für möglicherweise viel tiefgreifendere Veränderungen beim Mailänder Traditionsklub. Es dürfte spannend werden, bis Ende Mai werden wir uns noch gedulden müssen. Einstweilen können wir ja über den künftigen Trainer spekulieren.

PS: Der AC Milan widerspricht selbstverständlich aufs kategorischste und energischste den obigen Spekulationen! 😉

Kommentare

1 Kommentar zu “AC Milan an die Scheichs?”

  1. AC Mailand vor am 06.03.09 21:51

    […] Mailand vor

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