Eines der drei bekanntesten Sport-Bauwerke der Welt wird gerade abgerissen.
Der norwegische Holmenkollen war weit mehr als eine Skischanze, der Sprungturm stand als Synomym für eine ganze Sportart. Was sich auch die Nazis während während der Besatzung des Landes zunutze machen wollen, allerdings erfolglos. Der große Star Birger Ruud ging beispielsweise lieber ins Gefängnis als an den Propaganda-Springen teilzunehmen.
Nun ist Schluss: Der “Bakken” muss für die Nordische Ski-WM 2011 einer modernen Anlage weichen. Immerhin: Man kann der Demontage live zusehen.

Schön sieht sie nicht mehr aus, die Schanze, deren markante Silhouette noch vor ein paar Tagen die Skyline von Oslo geprägt hatte.
Der Sprungturm ist schon abgebaut, der Rest wird bald folgen, und das unter den Augen wehmütiger Fans aus aller Welt, die dabei mittels der auf den Holmenkollen gerichtete Livecams zuschauen wollen. Und deren Ansturm den Stream oft genug zumPlatzen bringt.

Der Schanzenstandort am Stadtrand von Oslo ist allerdings nicht der älteste der Welt. Im mittelnorwegischen Trysil wurde bereits im Jahr 1862 ein – wenn auch weitgehend unbeachtetes – Springen veranstaltet.

Das erste Skispringen am Holmenkollen fand am 31. Januar 1892 vor 12.000 Zuschauern statt. Auf einer Schanze, die nichts mit den späteren Anlagen gemein hatte, sondern aus Ästen und Wurzeln aufgetürmt und mit Schnee bedeckt wurde. Der Norweger Arne Ustvedt siegte mit einer Weite von 21,5 Metern, ein Rekord, der bereits ein Jahr später von seinem Landsmann Ingemann Sverre um 50 Zentimeter überboten wurde.

Das Sportareal wurde fortan ausgebaut, parallel zum Stadtteil Holmenkollen, der sich dank seiner naturnahe Lage oberhalb der Hauptstadt und des weiten Blicks auf den Oslofjord zum bevorzugten Wohnort reicher Städter entwickelte.

1913 errichtete man den ersten, fast zehn Meter hohen Schanzenturm, der seinem Spitznamen “Turm von Babel” im Jahr 1927 zweifelhafte Ehre machen sollte: Keine 24 Stunden, nachdem dort ein Skispringen ausgetragen worden war, stürzte das Holzgebäude ein.
Der Sprungturm wurde umgehend wieder aufgebaut, allerdings an anderer Stelle, denn die Skispringer erzielten immer größere Weiten, weswegen es erforderlich wurde, den Sprungturm weiter den Hang hinauf zu verlegen und gleichzeitig das Landeareal tiefer auszugraben.
1940 entstand die erste Schanze aus Beton, die allerdings kaum für sportliche Zwecke genutzt werden sollte, denn die deutschen Besatzer richteten dort einen Beobachtungsposten für militärische Zwecke ein.
Ihre Versuche, den Springer-Star und Träger der Holmenkollen-Medaille des besten norwegischen Skisportlers Birger Ruud für Propagandazwecke einzusetzen, scheiterten allerdings. Der Sportler verweigerte die Teilnahme an offiziellen Wettbewerben. 1943 wurde der dreimalige Weltmeister und zweifache Olympiasieger zusammen mit seinem Bruder als Widerstandskämpfer verhaftet und ins Gefangenenlager Grini nahe Oslo gebracht. Nach Kriegsende startete Birger Ruud 1948 im Alter von 36 Jahren noch einmal bei den Olympischen Spielen in St. Moritz und gewann Silber, bei den Spielen von Oslo vier Jahre später war er dann allerdings endgültig zu alt für seinen Sport.

Die Holmenkollen-Schanze war für die Wettbewerbe wieder einmal umgebaut worden, erstmals gab es Sitztribünen für die Zuschauer. Seinen charakteristischen Schwung erhielt der Bakken anlässlich der WM 1966.
Das weithin sichtbare Wahrzeichen Oslos zählt mittlerweile zu den größten Touristenattraktionen des Landes, das auch im Sommer Tausende Besucher anlockt. Denen wird es jedoch bald versagt sein, oben, im verglasten Sprungturm, gegen Schwindelgefühle ankämpfen zu müssen, denn nachdem Oslo im Mai 2006 den Zuschlag für die Ski-WM 2011 erhalten hat, stand fest, dass die im Lauf der Jahre insgesamt 18 Mal umgebaute Schanze nicht zum 19. Male verändert werden sollte.

Das zu den drei bekanntesten Sportarenen der Welt zählende Bauwerk wird abgerissen und durch eine moderne Anlage ersetzt – die Bauarbeiten konnten allerdings nicht wie geplant i Frühjahr 2007 beginnen, sondern verzögerten sich um ein Jahr:
Obwohl Oslo seine WM-Bewerbung mit dem fotorealistischen Computermodell einer ultramodernistischen, an einen umgestürzten Baukran erinnernden Schanze illustriert hatte, stand noch gar nicht fest, wie der neue Holmenkollenbakken aussehen sollte.
Die Stadtverwaltung, die die Baukosten zu 50 Prozent übernehmen muss, forderte zudem einen Architekten-Wettbewerb, der erst im Oktober 2007 endet.

Eine Verzögerung, die dem Weltskiverband FIS bereits jetzt Sorgen macht, aus Osloer Sicht allerdings extrem praktisch war: Mit einiger Verspätung hatte man sich nach Trondheim und Tromsø gemeinsam mit Lillehammer entschlossen, am innernorwegischen Auswahlverfahren zur Bewerberstadt für die Olympischen Winterspiele 2018 teilzunehmen. So konnten die Architekten den neuen Holmenkollen gleich noch als mögliche Olympiaschanze mitkonzipieren.

Kommentare

3 Kommentare zu “Abriss: Mach´s gut, Holmenkollen-Schanze”

  1. RedJan am 10.20.08 03:07

    welches sind denn die beiden anderen bekanntesten Sport-Bauwerke?
    der Madison-Square-Garden und das Wembley-Stadion? letzteres wurde auch schon abgerissen …
    oder Maracana?

  2. Elke Wittich am 10.20.08 03:27

    Kommt vermutlich drauf an, in Aachen, sah ich gerade, findet man beispielsweise: “Die Schwimmhalle Ost in Aachen ist eine über die Grenzen des Schwimmbezirks hinaus bekannte Sportstätte, die mit einer großen Tribüne ausgestattet ist…”

  3. RedJan am 10.21.08 00:22

    ha, ich habs: die Eiger-Nordwand

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