Sexismus und Geschlecht im Fußball – eine kleine Exkursion

Dieser Text wurde von R.A.S.H. Berlin verfasst und bei der Veranstaltung “Männerbilder im Fußball” diskutiert

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„Schwarz und gelb
das ist unsere Welt
wir ficken für Geld
nur der harte Kern
zieh sie aus
steck ihn rein
für den Verein
eine kleine Nymphomanin – ficken
eine kleine geile sau – Sau
wir sind Fussballfans aus Dortmund
ficken jede geile Frau“

Leider gehört Sexismus zum Fußball wie der Baseballschläger in die Eier eines jeden, der obige Zeilen mitgröhlt. Während Sexismus abgeschafft werden muss, sollten viel mehr Macker-Säcke bluten. Auch die Freude dem Schwanz beim Urinieren zu betrachten (gemeint ist: im Stehen pinkeln) und dabei die Zugtoilette in unzumutbarem Zustand zu hinterlassen stellt bereits eine sexistische Handlung dar. Genauso wie die beliebte Aufforderung an Stadionbesucherinnen gerichtet: „Erklär doch mal Abseits.“

So ist Fußball. Hart aber fair. Beides sind Attribute, die im klassischen Frauenbild, wie es der Fußball porträtiert, nicht zu finden sind. Aber so soll es schließlich auch sein. Fußball ist Männersache. Die letzte Hochburg der echten Kerle. Frauen, und überhaupt alles, was als „weiblich“ empfunden wird, hat da nichts verloren.

Dennoch ist es eine Tatsache, dass sich unter die Stadionbesucher immer mehr Stadionbesucherinnen mischen – eine Tatsache, die nicht nur Fans und BeobachterInnen aufgefallen ist, sondern auch den Vereinen. So rücken Frauen als potentielle Abnehmerinnen von Tickets und bestickten Schals plötzlich in eine kommerziell relevante Position. Folglich gilt es Frauen den Fußball so schmackhaft wie möglich zu präsentieren.
Der 1. FC Saarbrücken richtete am 25. April 2006 gar einen „Frauentag“ ein, bei dem Fans (Frauen) freien Eintritt ins Stadion erhielten und vom Stadionsprecher behutsam an die, seiner Meinung nach den Frauen gänzlich unbekannte Materie herangeführt wurden: „Liebe Frauen: Das Grüne da unten ist der Rasen. Das Weiße sind die Tore. Das Rote, das ist der Gegner Sportfreunde Siegen. Jubeln dürft ihr erst, wenn unsere Jungs ein Tor gemacht haben und die anderen netten Jungs auf den Rängen die Hände hoch reißen.“
Diese frauenverachtende und zutiefst sexistische Äußerung ist Ausdruck dessen, was sich in den meisten Köpfen der männlichen Fans wieder findet: Frauen haben prinzipiell keine Ahnung, worum es beim Fußball geht. Weder sind sie vertraut mit Mannschaftsaufstellungen oder Regeln und erst recht nicht mit taktischen Spielzügen. Betreten Frauen dennoch ein Stadion oder verfolgen ein Spiel vor dem Bildschirm, werden sie wohl entweder:
a) Fan eines bestimmten Spielers sein, den sie besonders attraktiv finden;
b) ihren Freund/Vater/Bruder begleiten;
c) auf Männersuche sein.
Alle diese Rollen setzen Frauen in eine passive Beziehung zum Fußball: sie gehen oder gucken nicht wegen des Spiels oder einer Mannschaft, sondern wegen einer Randerscheinung wie der Optik oder der Zeit, die sie mit ihren Begleitern verbringen.
Anders als bei Männern, die zumeist problemlos zum Teil des Ganzen werden, müssen sich Frauen ihren Platz in den Reihen der Fans erst durch Wiedergabe ihrer fachlichen Kenntnisse erkämpfen. Nur so legen sie ihr Weiblich-Sein ab und werden zum Fußballfan, einem Neutrum. So wird Frau in eine Rolle gedrängt, der sie unter Umständen gar nicht entspricht, sich aber adaptieren muss, um von „männlichen“ Fans wenigstens toleriert zu werden.
Damit ist das Problem aber keinesfalls gelöst, eher ist es ein Porträt davon, woher jener Sexismus rührt, der auch von vielen „weiblichen“ Fans kaum als solcher wahrgenommen wird und oftmals mit einem „Das gehört eben dazu“ verharmlost wird.
Aus Sexismus und Homophobie im Stadion, in der Kneipe und vor dem Fernseher entsteht die Ablehnung und Verbannung aller „femininen“ und damit aller angeblich schwachen Eigenschaften. Jedes einzelne „weibliche“ Attribut gilt als negativ. Deshalb wird die gegnerische Mannschaft als Mädchen beschimpft, deshalb ist Rudi Assauer der Meinung, dass Homosexuelle und Frauen niemals Fußball spielen könnten und deshalb kann sich ein „weiblicher“ Fan nicht so verhalten, wie sie es vielleicht in einem anderen Umfeld tun würde. Schließlich ist sie ein Teil der Fanszene und verhält sich auch dementsprechend. Es lässt sich beobachten, dass „weibliche“ Fans anderen „weiblichen“ Fans gegenüber oft dieselben Vorurteile haben wie ihre „männlichen“ Kollegen.
So werden die Rollen, mit denen Frau vorher selbst konfrontiert wurde, oft schnell auf „weibliche“ Mitfans übertragen und ihnen so das Wissen und die Leidenschaft zum Fußball an sich abgesprochen. In Interviews mit „weiblichen“ Fans hat sich gezeigt, dass Frauen mit einem Rock oder einem ausgeschnittenem T-Shirt bekleidet ins Stadion gehen oft nicht für voll genommen werden. Nicht selten wird in Folge dessen davon ausgegangen, dass entsprechend gekleidete Frauen dann als Groupie eines Spielers, als Begleitung oder auf „Männerfang“ unterwegs sind und sich somit jener Klischees bedienen, denen Frau sich vorher zur Wehr setzen musste.
Frau nimmt also das Verhalten an, mit dem sie eigentlich selbst – auch als „integrierter“ Fan – zu kämpfen hat und eigentlich kritisiert. Denn wie bereits erwähnt ist sie nicht mehr Frau sondern Fan, da sich das eine mit dem anderen bisher kaum vereinbaren lässt. Ist Frau zu „feminin“, läuft sie Gefahr, in ihrer Leidenschaft zum Sport nicht (mehr) ernst genommen zu werden, ist sie jedoch zu „maskulin“ und gebärdet sich wie „männliche“ Mitfans – d.h. sie flucht, sie schreit, trinkt allzu viel Bier, etc. – bekommt sie schnell den Stempel „Mannsweib“ oder „Lesbe“ aufgedrückt, was ihre Akzeptanz in der Fanszene ebenfalls aufheben würde.
Auch in (linken) Ultra-Kreisen ist das Thema (Anti-)Sexismus immer noch ein Thema, dem nicht genügend Beachtung geschenkt wird. Beim Querlesen in bekannten Ultra-Foren bestätigt sich erneut, dass Frauen in Ultragruppierungen noch längst keine Selbstverständlichkeit sind. Von frauenverachtenden Sprüchen wie „Fotzen aus der Kurve, damit die Kurve lebt!“ bis hin zu der Debatte, ob rein weibliche Ultragruppierungen überhaupt in der Lage seien, ihre Fahne zu verteidigen, ist jede Meinung vertreten.
Glücklicherweise auch die, dass Frauen längst ein fester Bestandteil der Szene sind und diese dadurch bereichert wurde. Oftmals wird darauf hingewiesen, dass beispielsweise russische oder italienische Kurven ohne „weibliche“ Fans gar nicht vorstellbar sind.
Aber mitunter wird deutlich, dass viele „männliche“ Ultras dem Zustrom „weiblicher“ Mitglieder sehr skeptisch entgegen stehen, denn „Frauen bringen Unruhe in die Gruppe“. Warum? Beziehungen entstehen, Beziehungen gehen kaputt, neue Beziehungen entstehen. „Dann wird die Exfreundin in der ganzen Szene rumgereicht“. Einerseits verdeutlicht das den extrem heteronormativen Charakter des Fußball, zweitens die Unfähigkeit, mit der möglichen Situation des Verlassenwerdens nicht umgehen zu können, drittens wird der Frau damit das Recht auf selbstbestimmte Sexualität abgesprochen – denn natürlich mutiert sie sofort zur „Schlampe“ wenn sie sich nicht an einen der Herren hält – und viertens wird dabei ausgeblendet, dass zu einem Beziehungskonstrukt zwei Personen gehören.
Es ist nichts ungewöhnliches, dass in einer Gruppe von Menschen mit den selben Interessen Beziehungen zustande kommen und sich früher oder später höchstwahrscheinlich wieder lösen. Das schwächt die Gruppe allerhöchstens dann, wenn mit der daraus entstandenen Situation nicht vernünftig umgegangen wird und ungeklärte Konflikte nicht zur Sprache gebracht werden. Frauen auf Grund dessen nicht in Ultragruppierungen sehen zu wollen ist also eher eine Ausflucht als ein Argument.
Ein weiteres Argument gegen Frauen hat mit körperlichen Auseinandersetzungen zu tun. „Ich habe keine Lust aufzupassen, dass die Alte nicht auf die Fresse bekommt“, schreibt einer. „Außerdem kann man doch nicht von mir erwarten, dass ich ‘ne Frau schlage, wenn ich welche beim Feind seh’“, fügt selbiger Autor seinem Beitrag noch hinzu. Deutlich zeigt sich hier wieder das klassische Bild von der Frau als dem Mann körperlich unterlegen, Schutz brauchend und viel zu zart um zu verletzen oder verletzt zu werden. Der Frau wird schlichtweg nicht zugetraut, sich verteidigen oder einem anderem Menschen beispielsweise die Nase brechen zu können. Praktisch wird diese Vorstellung dann insofern umgesetzt, dass Frauen den Bannertransport übernehmen oder die feindliche Kneipe auskundschaften gehen sollen – schließlich wird davon ausgegangen, dass ausschließlich „männliche“ Mitglieder verfeindeter Ultragruppierungen gewalttätig werden, das aber auch nicht gegen das „schwache Geschlecht“. Oder aber es tritt der Beschützerinstinkt in Kraft: “Wenn Frauen dabei sind, würde ich keiner davon jemals Material geben, allein weil es mir missfallen würde diese in Gefahr zu bringen“. Des weiteren berichten Mitglieder der SenoritHAs Jena beispielsweise davon, dass sie in Zeiten vor der reinen Frauengruppe oftmals aufgefordert wurden, für eine Veranstaltung doch bitte einen Salat zu machen oder davon abgehalten wurden, Trommeln zu tragen – die wären viel zu schwer. So nimmt Mann der Frau die Entscheidung aus der Hand, was sie tun will und was nicht und versucht ihr stattdessen, klassische „ungefährliche“ Aufgaben zu übertragen, d.h. er positioniert sich klar über ihr und bekräftigt so patriarchalische Verhältnisse in der Gruppe.
Gruppen wie die SenoritHAs in Jena oder die USP gehen dies bezüglich mit sehr gutem Beispiel voran. Die USP provozierten kürzlich beispielsweise mit einer Meldung, alle „männlichen“ Gruppenmitglieder „aufgrund von lächerlichen Beziehungsproblemen und die ‘Unbeständigkeit’ einiger Männer in unseren Reihen, die anscheinend nur in [der] Gruppe aktiv sein wollten um Frauen kennenzulernen“ nur noch schwächten, zum Austritt gezwungen zu haben und benutzen dabei jene Argumentation, die von Männern angewendet wird.

Kurz gefragt:

Wie viele Schiedsrichterinnen hast du schon erlebt?

Wie viele Stadionsprecherinnen „durften“ schon zu Wort kommen?

Wie viele Frauen sind in deiner Bezugsgruppe?

Wie viele Frauentoiletten und wie viele Männertoiletten gibt es in den größeren Stadien?

Hast du Lust dich auf eine vollgepisste Klobrille zu setzen?

Wie viele Macker haben wegen ihrer sexistischen Verhaltensweisen schon in die Fresse gekriegt (am besten von einer Frau!) oder zumindest negative Kritik erfahren?

Wer macht bei euch den Salat?

Für mehr gebrochene Mackernasen und ein gutes Miteinander.

R.A.S.H. Berlin
Red and Anarchist Skinheads Berlin

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