Für Nicht-Münchner ist die aktuelle Lage bei den Löwen mehr als verwirrend. Deswegen lassen wir sie uns nun erklären: Hans Vonavka, Sprecher von Pro1860, spricht im Interview mit SportsWire über die Hintergründe der gemeinsamen Erklärung der Fanorganisationen des Vereins, die Presselandschaft in München, Rücktrittsforderungen, die Bayern – und warum Pro1860 nicht ans Aufgeben denkt.

Die Fanorganisationen des TSV 1860 München haben sich zusammengerauft und eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der sie sich vor das Präsidium des Vereins gestellt haben. Wie lange habt Ihr gebraucht, Euch auf eine gemeinsame Linie zu verständigen?

Das ging recht schnell. Und wir wollten damit in Richtung Presse ein klares Signal setzen, da diese unter Federführung der AZ ein vernichtendes, aber ungerechtes Urteil über die handelnden Personen fällte und das Präsidium zum Rücktritt aufgefordert hatte.
Uns war klar, dass der Druck vielleicht ausreichen könnte, den Bettel hinzuschmeißen.
Dabei ging es nicht um eine finale Beurteilung der Sachlage, sondern um den Schutz des Vereins vor der Medienmacht.
So haben wenige Telefonate ausgereicht, um das Einverständnis zu einer gemeinsamen Erklärung zu erreichen. Danach wurde von unseren Leuten der Text entworfen, mit den anderen Gruppierungen abgestimmt und veröffentlicht. Der ganze Prozess dauerte ca. 2 bis 3 Stunden.

Der Verein war in die Kritik geraten, nachdem das geplante Engagement des Berliner Investors Nicolai Schwarzer in einem riesigen Kuddelmuddel endete – das für Nicht-Münchner zudem noch schwieriger zu durchschauen ist als für Einheimische. Traut Ihr Euch zu, den ganzen Vorgang in ein paar wenigen Sätzen zu erklären?

Nein. Der Bereich zwischen Legende und Wahrheit ist da so fließend, dass wir auch nicht genau abschätzen können, was wirklich abgelaufen ist.
Wir wollten klar stellen, dass eine Rücktrittsforderung eigentlich nur von uns kommen könnte, und dass wir beschlossen haben, zuerst einmal Ruhe zu bewahren und abzuwarten, bis wir genauer informiert werden würden.

Zurück zur Kritik: Bis hin zum Interview mit Olaf Bodden bei 11 Freunde, in dem der sehr scharf gegen das Löwen-Präsidium schoss, findet man kaum Artikel, in denen das Agieren des Vereins wenigstens wohlwollend beurteilt wird. Woran liegt das, Eurer Meinung nach?

Das “Urteil” der Presse ist uns da, gelinde gesagt, recht egal.
Für uns ist aber nachvollziehbar, dass Menschen, die ihr täglich Brot mit Sensationsmeldungen
über den TSV 1860 verdienen müssen, kaum Interesse daran haben dürften, die abgelaufenen Geschehnisse deeskalierend zu beschreiben.
Das ist der bekannte Mechanismus.
Dass der “Deal” diesmal unüblicherweise unter kompletter Geheimhaltung vorbereitet wurde, hat beim einen oder anderen sicher gewisse Beleidigtheiten ausgelöst…

Dass Fans die Vereinsoberen in Schutz nehmen, ist eher selten. Habt Ihr beim Verfassen Eurer Erklärung auch darüber gesprochen, dass sich das Papier vielleicht kontraproduktiv auswirken und der Eindruck entstehen könnte, das Präsidium sei derart hilflos und angreifbar, dass es sogar
die eigenen Fans gegen die Kritiker in Stellung bringen müsse?

In der aktuellen Situation weiß man immer noch relativ wenig über den Investoren-Deal und so gut wie nichts über die vorläufige Einstellung desselbigen.
Dass die Münchner Presse trotz mangelndem Wissen, in unsäglicher Manier, den Rücktritt des Präsidiums forderte, stieß den Fanorganisationen sauer auf.
Dass das Präsidium nicht hilflos und angreifbar ist, hat es durch die Einsetzung von Herrn Stoffers in die Geschäftsführung der KGaA umgehend bewiesen.

Was, glaubt Ihr, treibt die Journalisten unter den Kritikern an? Ist es, wie in einigen Fanforen gemutmaßt wird, der unbedingte Wunsch, mit vernichtenden Anti-1860-Kommentaren den Bayern zu gefallen?

In München ist die Medienlandschaft sehr groß, es konkurrieren 5 Zeitungen um die tägliche Leserschaft. In den 3 Boulevardblättern soll jeden Tag eine Seite über den TSV 1860 gefüllt werden – da kann es schon geschehen, dass man eine Sache ’anheizt’, um täglich Stoff zu haben, über den man berichten kann.
Zudem lassen sich die Mutmaßungen in den anderen Foren schlecht entkräften.

Gerade hat der Münchner OB Christian Ude ebenfalls starke Bedenken gegen das Engagement von Schwarze geäußert. Könnt Ihr seine Kritik verstehen?

Über die Beweggründe sollten die Betreffenden selbst befragt werden, Spekulationen gab und gibt es bei dieser Geschichte schon im Überfluss.
Grundsätzlich wäre uns natürlich immer lieber, wenn solche Dinge intern besprochen würden, anstatt über die Boulevardpresse zu kommunizieren.

Und wie sieht es mit Kritikern wie Willi Mantel, bei 1860 im Aufsichtsrat, aus? Er forderte immerhin gerade den Rücktritt des Präsidiums…

Willi Mantel forderte den Rücktritt des Präsidenten Beeck und des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Lutz, nicht des kompletten Präsidiums – hier haben die Medien wohl falsch recherchiert.
Die Gründe hierzu sollte wohl Herr Mantel selber erläutern, da wir nur spekulieren können.

Haben die Bayern nicht eigentlich ganz andere Sorgen als sich – und sei es nur über den Umweg über einige Sportressorts – mit der Finanzpolitik eines kleinen Nachbarvereins zu beschäftigen?

So lange der TSV 1860 in der Arena zur Miete spielt und jährlich ein ordentliches Sümmchen ins rote Säckel einspielt, haben die Nachbarn natürlich ein Interesse an der blauen Finanzpolitik.
Die momentane Einflussnahme ist allerdings eine Frechheit, die sich der TSV 1860 nicht bieten lassen sollte.
Es ist in keiner anderen Branche denkbar, dass ein Vermieter die geschäftlichen Entscheidungen seines Mieters in irgendeiner Form öffentlich kommentiert.

Die Situation wirkt – vor allem aus dem Abstand von mehr als 800 Kilometern heraus – verfahren. Gibt es Eurer Meinung nach überhaupt eine Chance, dass alle Beteiligten irgendwann wieder konstruktiv zusammenarbeiten können?

Die Presse und die Fanorganisationen werden sich erfahrungsgemäß in naher Zukunft wieder aussöhnen.
Präsidium und die Aufsichtsräte sind professionell genug, schnell wieder ein Klima herzustellen, in dem man arbeiten kann. Das wird schon durch die Tatsache bewiesen, dass die Verhandlungen unter der Federführung von Manfred Stoffers unter Miteinbeziehung der Gremien und der Vorgaben der DFL wieder aufgenommen wurden.

Was wünscht Ihr Euch von Eurem Präsidium? Und was wünscht Ihr Euch von der Münchner Presse?

Umsichtige und erfolgreiche Entscheidungen zu Gunsten des TSV 1860.
Von der Presse wünschen wir uns mehr Mut zur Recherche, Mut zur Wahrheit und Mut zur Fairness.

Und für wie hoch haltet Ihr die Chancen, dass Eure Wünsche jemals in Erfüllung gehen?

Wenn wir nicht an diese Chancen glauben würden, hätten wir die Arbeit schon längst eingestellt.

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