EM

Schafft sie ab!

von Alex Feuerherdt

Wie hatte es Wiglaf Droste vor zwei Jahren, nach der Halbfinalniederlage der Deutschen bei der WM, noch so schön formuliert? „So angenehm leise wie am späten Abend des 4. Juli 2006 war es in Deutschland seit Wochen nicht gewesen. Kein hupiger Autokorso nervte, kein Geschrei, und die erigierten Schwarzrotgoldfahnen, peinlicher Potenzersatz für schlappe deutsche Männer, hingen wieder wie die Penisse ihrer Herren.“ Drostes Dank galt damals Alessandro del Piero, dem Schützen des alles entscheidenden 2:0 für Italien. Und mein Dank gilt nun Fernando Torres, der dem weder politisch noch ästhetisch zu verantwortenden schwarz-rot-gelben Taumel fürs Erste ein Ende setzte (auch wenn es heute vor allem in der Hauptstadt noch letzte Zuckungen gab).

Im Grunde war es ohnehin zumeist nur Mittelmaß, das da in den letzten Wochen auf deutscher Seite zur Sensation hochgejazzt wurde. Lediglich das Spiel der DFB-Auswahl gegen Portugal genügte höheren Ansprüchen; wie moderner Fußball geht, demonstrierten ansonsten andere, auch wenn von den überragenden Mannschaften der Vorrunde letztlich nur die Spanier auf Dauer Schönheit mit Erfolg zu verbinden vermochten. Das völlig einseitige Finale war eine fußballerische Demütigung der Deutschen, und wenn das spanische Team nicht so schlampig mit seinen Chancen umgegangen wäre, dann hätte diese Demütigung auch zahlenmäßig ihren angemessenen Ausdruck gefunden.

Nun gibt es zumindest zwei Jahre lang relative Ruhe vor dem schrillen „Schwarz-Rot-Geil“, vor den geschwätzigen Möchtegern-Experten auf allen Kanälen, vor Zumutungen wie „Nachgetreten“ und „Waldis EM-Club“ und vor den ganzen zu Nachrichten aufgepumpten Nebensächlichkeiten (wurde in Spanien eigentlich auch nur annähernd so ein Theater um den Ausfall des besten Torschützen gemacht wie in Deutschland um die Wade von Michael Ballack?). Das ist zumindest so etwas wie ein Distinktionsgewinn.

Vielleicht sollte man ohnehin über die Abschaffung von Nationalmannschaften (und damit auch der ganzen Turniere) nachdenken – denn letztlich sind sie ein Anachronismus. Am Zuspruch des Publikums fehlt es zwar gewiss nicht, ganz im Gegenteil. Aber sowohl die schwer erträgliche nationale Hysterie als auch die schlichte Tatsache, dass die Klubs längst im Wortsinne international aufgestellt sind, sprechen unbedingt dafür. Außerdem müsste man sich hierzulande dann nicht mehr dafür rechtfertigen, es nicht mit der DFB-Elf, sondern mit einer anderen Auswahl zu halten – etwas, das auf der Ebene des Vereinsfußballs längst selbstverständlich oder zumindest akzeptiert ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Und das wäre dann nicht nur ein Distinktions-, sondern sogar ein Zivilisationsgewinn.

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