Wo immer Olympische Spiele ausgerichtet wurden, kam es zu Repressionen.
Verweise, Vertreibungen und und Enteignungen waren an der Tagesordnung – dass in der zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts einmal im Vorfeld der Spiele fast 500 Demonstranten erschossen wurden, ist in Vergessenheit geraten.

Schon ist man bei den Olympischen Spielen. Seit 1896 gibt es sie als Spiele der Neuzeit, als eine Veranstaltung, die dem Weltsport einen Rahmen gibt und ihm alle vier Jahre ein Fest beschert.
In den aktuellen Debatten über die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 und die Winterspiele 2014 im russischen Sotschi wird oft von „dem Sport“ gesprochen, und „der Sport“ pflegt in diesen Debatten stets das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu sein.
Das IOC organisiert nämlich die wichtigste Veranstaltung des Weltsports. Also profitiert es vom positiven Image des Sports und präsentiert sich gerne als Friedensbewegung, als humanitäre Bewegung, die durch die Universalisierung des Sports für die Durchsetzung der Menschenrechte sorgt.
Dabei lässt sich das IOC auch bei besonders gutem Willen nicht als demokratisch strukturierte und kontrollierte Organisation beschreiben: Es rekrutiert sich aus sich selbst heraus, und seine Macht speist sich aus den Verwertungs- und Fernsehrechten an den Olympischen Spielen und allem was fünf bunte Ringe trägt. Diese Macht lässt das IOC als Wirtschaftskonzern erscheinen, dessen Geschäftspolitik bemerkenswert intransparent ist.
Entsprechend schwer fällt es, das wichtigste Produkt aus der IOC-Palette, die Olympischen Spiele, als ein den Frieden, die Demokratie und die Menschenrechte förderndes Spektakel zu beschreiben.
Olympische Spiele sind immer ein Politikum, doch sie sind es in einem (auch) anderen Sinne, als dieser zum Gemeinplatz geronnene Satz zumeist verwendet wird. Sie sind nämlich nicht nur dann ein Politikum, wenn sie, wie in diesem Sommer, in Peking stattfinden oder 1980 in Moskau oder 1936 in Berlin.
Die Olympischen Spiele sind vielmehr immer eine Art Kampffeld, auf dem um politische und symbolische Bedeutungen gestritten wird. Und sie sind immer – welthistorisch seit 1936, als sie zum ersten Mal als von einem Staat groß organisiertes und finanziertes Spektakel aufgezogen wurden – ein Großereignis mit politischen, ökonomischen und sozialen Folgen.
Um das zu belegen, kann man ganz einfach die Olympischen Sommerspiele der letzten 24 Jahre durchgehen, also alle, die nach den letzten großen Boykottspielen in Moskau stattfanden. Immer werden soziale und politische Menschenrechte nicht trotz, sondern wegen der Olympischen Spiele verletzt.
Vor den Olympischen Spielen 1984 im amerikanischen Los Angeles beispielsweise wurden tausende schwarzer junger Männer präventiv inhaftiert – damit von ihnen keine Gefahr für den olympischen Frieden ausgeht.
1988, als die Spiele im südkoreanischen Seoul stattfanden, gingen ihnen brutale Knüppeleinsätze gegen Studentendemonstrationen voraus; und für die Umgestaltung der Stadt wurden über 700.000 Menschen, zum Teil unter Gewaltandrohung, umgesiedelt. 1992, im spanischen Barcelona, wurden Roma aus der Stadt ausgewiesen, gegen Bettler und Prostituierte wurde mit Polizeigewalt vorgegangen.
1996 in Atlanta in den USA war es das Organisationskomitee der Spiele, das ein neues Stadtgefängnis baute, in das Kleinkriminelle, Drogensüchtige, Prostituierte und Bettler gesteckt wurden. Auch aus dem australischen Sydney im Jahr 2000 wird berichtet, dass Tausende Menschen ihre Wohnungen verloren. Ähnliches passierte 2004 in Athen, wo die Polizei auch massiv nicht nur gegen Obdachlose, Kleinkriminelle und Prostituierte, sondern auch gegen Migranten vorging. Und bei den Bauarbeiten für die Wettkampfstätten kamen 13 Arbeiter um.
Man muss also noch nicht mal auf das Jahr 1968 verweisen, als die mexikanische Polizei zehn Tage vor Eröffnung der Spiele in Mexiko City eine Studentendemonstration niederschoss und fast 500 Menschen zu Tode kamen, um zu zeigen, dass Olympische Spiele an sich kein Mittel sind, um per se die Welt besser zu machen.
Man muss nicht auf 1968 verweisen, aber man kann. Denn dort fand kein – wie immer, so auch im Fall Mexiko gut begründbarer – Olympiaboykott eines Landes statt, sondern es gab bis heute ikonografisch wirkende Athletenproteste.
Sie richteten sich, was in heutigen Darstellungen gerne unterschlagen wird, nicht nur gegen den Rassismus in den USA, sondern die schwarzen US-Athleten forderten auch den Rücktritt des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage. Der Protest richtete sich also explizit auch gegen das IOC!
Ob der Sport die Menschenrechte befördert, war die Frage. Man kann sie nur dann positiv beantworten, wenn der Sport in sich demokratisch organisiert ist. Diesen Sport durchzusetzen, ist ein wichtiges Menschenrecht.

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